Rente: Das planen die Parteien vor der Bundestagswahl für die Zukunft

Die Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung genügen schon lange nicht mehr, um auch nur annähernd alle Renten zu bezahlen. Diese wiederum reichen bei zunehmend weniger Seniorinnen oder Senioren für einen finanziell sorgenfreien Lebensabend. Änderungen – wenn nicht sogar eine komplette Reform – des deutschen Rentensystems sind unumgänglich. Welche Pläne zeigen die großen Parteien bei diesem wichtigen Zukunftsthema in ihren Wahlprogrammen?

19.09.2021
  • Lesezeit ca. 5:30 Minuten
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    19.09.2021
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Rentner zählen Geld und bestimmen ihre Ausgaben.
© Dmytro Zinkevych/www.shutterstock.com

Es gibt eine ganze Reihe dringlicher Themen, die eine neue Bundesregierung nach der Bundestagswahl 2021 besser früher als später und dann nicht nur halbherzig, sondern richtig anpacken muss. Die gewählten Lösungen werden entscheidenden Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit des Landes, aber auch das Leben und den Wohlstand der Deutschen haben. Neben dem Klimawandel steht dabei unter anderem die Rente oder die Rentenversicherung ganz oben auf der Agenda mit dem größten Handlungsbedarf. Denn dort reicht das Geld wortwörtlich hinten und vorn nicht mehr.

Lang bekannte Probleme verschärfen sich

Was Demographen schon vor Jahrzehnten voraussagten, manifestiert sich nun zunehmend zur Realität: Immer mehr Menschen gehen mit laufend steigender Lebenserwartung in Rente, während gleichzeitig die Zahl der Beitragszahler für ihre Renten zunehmend schwindet. Ein auf Umlagefinanzierung basierendes System wie die deutsche Rentenversicherung kann auf dieser Grundlage nicht mehr lange funktionieren. Im Ansatz geht diese Versicherung zurück auf die Kaiserzeit. Konrad Adenauer griff das Prinzip für die junge Bundesrepublik wieder auf und es hielt sich sehr stabil bis in die Neunzigerjahre. Selbst die Integration der Bürger der ehemaligen DDR – für deren Rentner es bis dato gar keine Einzahlungen gab – verkraftete die Rentenversicherung einige Zeit ziemlich mühelos. Doch danach wuchsen die Finanzierungsprobleme.

Waren es

  • 1990 noch rund 15 Milliarden Euro, die der Staat jährlich zuschießen musste,
  • brauchte die Rentenversicherung 2010 schon einen Zuschuss von fast 59 Milliarden.
  • 2019 waren es dann bereits 72 Milliarden für die etwas mehr als 300 Milliarden Euro Rentenzahlungen und
  • in wenigen Jahren soll die 100-Milliarden-Euro Grenze bei den notwendigen Zuschüssen gesprengt werden.

Anders ausgedrückt: In den letzten rund 20 Jahren fehlte der gesetzlichen Rentenversicherung unterm Strich über eine Billion Euro an Beitragseinnahmen, um sich selbst zu finanzieren. Dabei kassiert die Mehrheit der Rentnerinnen und Rentner im Land keineswegs üppige Gelder.

Das Rentenniveau – das Verhältnis einer Rente nach 45 Jahren Beitragszahlungen bei durchschnittlichem Einkommen zum Durchschnittsverdienst der Arbeitnehmer – sinkt seit Langem:

Waren es

  • zur Jahrtausendwende vor Steuern noch fast 53 Prozent,
  • fiel das Rentenniveau schon 2016 auf 48 Prozent.
  • 2030 sollen es nur rund 43 Prozent sein, alarmieren Vorausberechnungen der Deutschen Rentenversicherung.

Die ebenfalls auf einer 45-jährigen Einzahlung berechnete Standardrente stieg dabei zwar regelmäßig, aber in der Realität kommt bei den Menschen meist viel weniger Geld an. Im Schnitt wurden ihnen 2020 nur 982 Euro monatlich überwiesen – Frauen weniger als Männern. Wer keine private Vorsorge getroffen oder auch Eigentum erworben hat, lebt damit praktisch am Existenzminimum.

Rentenerhöhungen sind jenseits der prozentualen Zuschläge der letzten Jahre keine großen zu erwarten. Vielmehr muss sich die kommende Bundesregierung darauf konzentrieren, die Finanzierung des gesamten Rentensystems zu sichern. Längst machen Begriffe wie „Kollaps“ die Runde und selbst der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums spricht in einer Untersuchung von „schockartig steigenden Finanzierungsproblemen“. Die treten dann sehr wahrscheinlich eher früher als später auf, denn nun beginnt die Babyboomer-Generation, langsam in Rente zu gehen.

Die Riester-Rente sollte es einst richten. Doch sie ist heute praktisch am Ende, muss mindestens tiefgreifend reformiert oder neu gestaltet werden. Parteien wie CDU oder FDP wollen solche private oder auch die betriebliche Altersvorsorge nach wie vor als Trumpf einsetzen, damit einerseits im Rentenalter mehr Geld zur Verfügung steht und andererseits der Bundeshaushalt nicht immer stärker durch die Finanzierung der Rentenkasse oder von Grundsicherung im Alter belastet wird. SPD, Grüne und Linkspartei oder die AfD verfolgen primär eine andere Richtung in ihren Wahlprogrammen. Was wollen die Parteien im Einzelnen bei der Rente machen?

Die Rente mit CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP, Die Linke oder der AfD

Arbeitgeber und Ökonomen brachten zuletzt die Rente mit 70 ins Spiel. Zumindest in den Wahlprogrammen erteilen alle Parteien dem eine klare Absage. Keine Partei zieht eine Erhöhung des Renteneintrittsalters in Erwägung. Darüber hinaus gibt es aber einige Unterschiede in den Wahlprogrammen:

CDU/CSU

Die betriebliche oder private Altersvorsorge gilt den Unionern auch in Zukunft als erste Wahl, um im Alter über genügend Geld zu verfügen. Bei der privaten Altersvorsorge soll es einen Neustart geben. Dafür ist ein Standardprodukt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgesehen, dem jeder jedoch aktiv widersprechen kann. Selbstständige sollen zur Altersvorsorge verpflichtet werden, und um auch Geringverdienern ausreichende Renten zukommen zu lassen. Dazu gibt es verschiedene Ansätze im Wahlprogramm wie zum Beispiel eine betriebliche Altersvorsorge für alle. Auch eine staatlich geförderte Altersvorsorge von Geburt an steht hier im Raum. Zum konkreten Rentenniveau oder zu einer Verbesserung der Einnahmesituation der Rentenversicherung gibt es in den Wahlprogrammen der Unionsparteien keine konkreten Angaben.

SPD

Anders die Sozialdemokraten: Sie peilen dauerhaft ein Rentenniveau von 48 Prozent an – mindestens. Dazu wollen sie die Zahl der Beitragszahler signifikant erhöhen und zusätzlich zu Selbstständigen genauso Beamte verpflichten. Daneben plant auch die SPD eine Reform der privaten Altersvorsorge mit einem Standardprodukt einer öffentlichen Institution und eine Förderung betrieblicher Altersvorsorge. Besonders Geringverdiener oder mittlere Einkommen könnten dabei von staatlicher Förderung profitieren. Wer privat Angehörige pflegt, soll ebenso besser gestellt werden wie Erwerbsgeminderte. Zuletzt sollen die Unterschiede bei den Renten von Frauen und Männern eingeebnet werden.

Bündnis 90/Die Grünen

Ein Rentenniveau von 48 Prozent steht auch bei den Grünen im Wahlprogramm. Sie sprechen sich daneben für Erleichterungen bei einem früheren oder späteren Renteneintritt aus. Am Renteneintrittsalter von 67 Jahren wollen auch sie generell nicht rütteln. Aus kleinen Renten oder der Grundrente möchten die Grünen eine Garantierente machen. Diese soll unter anderem durch eine Bürgerversicherung finanziert werden, in die alle einzahlen müssen, die nicht ausreichend privat vorsorgen. Für die private Altersvorsorge planen ebenso die Grünen mit einem standardisierten Angebot unter öffentlicher Verwaltung – hier einem Bürgerfonds, der durch betriebliche Altersvorsorgeangebote ergänzt wird.

FDP

Einen flexiblen Renteneintritt ab 60 Jahren favorisiert ebenso die FDP, wenn mindestens die Grundsicherung aus den eigenen Rentenansprüchen abgesichert ist. Für Geringverdiener plant die Partei mit einer Basisrente. Betriebliche oder private Altersvorsorge stehen auch bei den Freien Demokraten weit oben im Programm zum Thema Rente. Wie andere Parteien will die FDP dabei Reformen, legt einen Fokus auf mehr Flexibilität für die Versicherten und möchte an dieser Stelle vor allem auf Aktien oder Fonds setzen, in die neben der Umlagefinanzierung ein Teil der gesetzlichen Rentenbeiträge fließen soll.

Die Linke

Anders alle anderen größeren Parteien möchte Die Linke das Renteneintrittsalter konkret ändern. Es soll auf 65 Jahre absinken und wer 40 Jahre oder länger eingezahlt hat, kann bei ihnen auch schon mit 60 abschlagsfrei in Rente gehen. Hier soll der Kreis der Beitragszahler ebenfalls mit Beamten oder Selbstständigen erweitert werden, damit schon in der kommenden Legislaturperiode das Rentenniveau sogar auf 53 Prozent erhöht werden kann. Weiteres Geld für diesen Schritt plant Die Linke ein, indem die bisherige Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung umgeleitet wird. Ost- und Westrenten sollen einen Angleich erfahren und alle Rentner dürfen bei den Linken demnächst eine Mindestrente von 1200 Euro erwarten. Zuletzt will auch Die Linke eine betriebliche Altersvorsorge, möchte sie aber zu einer Sozialleistung der Arbeitgeber umgestalten.

AfD

Die AfD setzt wieder auf eigene Entscheidungen und Flexibilität beim Renteneintritt. Von dieser individuellen Entscheidung macht sie schließlich die Rentenhöhe abhängig, will aber Geringverdiener mit langen Beitragszeiten entlasten: durch höhere Steuerfreibeträge und eine Nichtanrechnung auf die Grundsicherung. Eltern will die Partei Zuschüsse zur Rentenversicherung zukommen lassen und eine ganze Reihe von Beamten sollen nach den Plänen der AfD zu neuen Beitragszahlern werden – ausgenommen sind beispielsweise solche bei Justiz oder Polizei. Schließlich will die AfD mehr Steuergelder in die Rentenkasse umleiten und dafür in anderen Bereichen wie bei den Zahlungen an die EU oder für den Klimaschutz und Migration sparen.

Zusammengefasst


Wer auch immer in der neuen Bundesregierung sitzt:
  • Im Kern vertrauen alle Parteien darauf, die sehr wahrscheinlich weiterhin wachsenden, notwendigen Zuschüsse für die Rentenversicherung im Bundeshaushalt aus Steuereinnahmen stemmen zu können.
  • Die Ausweitung der Beitragszahler auf Beamte, Selbstständige und auch die Politiker selbst ist nach den Wahlprogrammen in allen möglichen Regierungskoalitionen nur noch eine Frage der Zeit.
  • Daneben wird die private Altersvorsorge forciert oder sogar verpflichtend. Durch ein Standardprodukt mit Organisation durch die öffentliche Hand steht eine zweite, quasi staatliche Rentenversicherung in Aussicht.
  • Alle, die eine kleine Rente beziehen oder erwarten, dürfen auf eine überdurchschnittliche Erhöhung ihrer Rentenzahlungen oder wesentliche Erleichterungen an anderer Stelle hoffen.
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